INNOVATION TRIFFT AUF TRADITION
Wie regenerative Landwirtschaft auf
der Farm von Matt Moreland gedeiht

Es war ein glühend heisser Juni-Tag, an dem Matt Moreland seine Weizenfelder mit dem Mähdrescher Hektar für Hektar abgeerntet hat. Die meisten anderen amerikanischen Landwirte würden die Wochen danach damit verbringen, fein geordnete Reihen in die nunmehr leeren Felder zu pflügen und die verbliebenen Erntereste zu beseitigen. Morelands 27-jähriger Sohn James dagegen folgte den Spuren des Mähdreschers schon am darauffolgenden Tag mit seiner Sämaschine und brachte Sojabohnensamen direkt in die nährstoffreichen Ernterückstände ein.
Der 54-jährige Matt Moreland ist Landwirt in vierter Generation und arbeitet eng mit der fünften zusammen. Seine drei Söhne sind nach ihrem College-Abschluss alle auf den Hof zurückgekehrt. Irgendwann, so hofft er, wird die 15.000 Acre (rd. 6000 Hektar) umfassende Moreland Farms an die sechste Generation übergehen, die bisher aus vier quirligen Enkelinnen besteht.
Um dem Familienunternehmen in Oklahoma das langfristige Überleben zu sichern, verfolgt Moreland eine konsequente Strategie: kontinuierliche Innovation, der ständige "Blick über den Tellerrand" und eine Art der Bewirtschaftung, die inzwischen als "regenerative Landwirtschaft" bezeichnet wird.Traditionell haben Landwirte in dieser Gegend Jahr für Jahr dieselben Pflanzen auf denselben Feldern angebaut und den Boden zwischen den Anpflanzungen ausgiebig gepflügt, um das Unkraut zu entfernen und das Erdreich aufzulockern. Allerdings leidet der Boden im Lauf der Zeit unter diesen Praktiken – und mit ihm auch das Klima, weil dabei nicht unerhebliche Mengen an erdgebundenem CO2 freigesetzt werden.
Bei der regenerativen Landwirtschaft dagegen werden die Felder mit geringer oder gar keiner Bodenbearbeitung bestellt. Das sorgt dafür, dass Wurzeln und nützliche Insekten erhalten bleiben und der Boden in der Folge mehr Feuchtigkeit aufnehmen und weiter Kohlenstoff binden kann. Zu den Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft gehört auch eine kontinuierliche Fruchtfolge, die für das Gedeihen einer Vielzahl von Mikroben sorgt und gleichzeitig hilft, die Erosion zu verringern. Ein weiterer wichtiger Grundsatz von Morelands Arbeitsweise ist die "Präzisionslandwirtschaft", die auf die Reduktion des Einsatzes von Chemikalien abzielt.
Unter Matts Leitung begann die Moreland Farm schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert mit der Umstellung auf Direktsaat und kontinuierliche Fruchtfolgen. In diesem Sommer sollen 7000 Acre (rd 2.800 Hektar), die in der vorigen Saison als Weizenfelder genutzt wurden, mit Sojabohnen und weitere 7000 mit Mais bepflanzt werden. Im kommenden Jahr werden die Felder dann wechselweise die jeweils anderen Früchte tragen.
"Landwirte sind die ersten Umweltschützer und gleichzeitig die besten Betriebswirte", sagt Moreland. "Wenn man die Flächen ständig pflügt, kauft man den ganzen Sommer über ständig nur Diesel ein und verbrennt ihn. Direktsaat funktioniert, weil sie ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist."
In den fast drei Jahrzehnten, seit Morelands Farm auf regenerative Landwirtschaft umgestellt hat, sind die Erträge jedes Jahr kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig ist der Verbrauch von Chemikalien und Treibstoff stark zurückgegangen. Im Jahr 2021 wurden auf den nicht bewässerten Weizen-, Mais- und Sojabohnenkulturen der Moreland Farm nur 2,14 Gallonen Diesel pro Acre (rd 20 Liter pro Hektar) verbrannt – das ist, wie die Daten einer an der Kansas State University durchgeführten Untersuchung zeigen, weniger als die Hälfte der Menge, die nahe gelegene Farmen mit konventioneller Bodenbearbeitung verbrauchen. Zudem kamen auf der Moreland Farm im vergangenen Jahr auch ein Drittel weniger Herbizide als in benachbarten Betrieben zum Einsatz.
Daten von im Jahr 2020 auf der Moreland Farm gezogenen Bodenproben zeigen, dass der Anteil organischer Substanzen im Erdreich im Vergleich zu 2013 um 56 Prozent gestiegen ist. Machten diese lebenswichtigen Bestandteile früher gerade mal 1,6 Prozent der Substanz aus, sind es heute 2,5 Prozent. Auch wenn diese Anteile nominell niedrig erscheinen, schätzt das Natural Resources Defense Council, dass jeder Prozentpunkt mehr organische Substanz die Speicherung von zusätzlichen 20.000 Gallonen Wasser pro Acre (rd 190.000 Liter pro Hektar) ermöglicht. Saugfähige Böden helfen den Pflanzen, nachfolgende Dürreperioden leichter zu überstehen, führen daher zu höheren Erträgen und reduzieren nicht zuletzt auch die Gefahr von Überschwemmungen.

Eine Pflanzmaschine verteilt Sojabohnensamen in den Rückständen der Vorfrucht (Weizen).
Eine Pflanzmaschine verteilt Sojabohnensamen in den Rückständen der Vorfrucht (Weizen).

James Moreland prüft, ob die Sämaschine die Sojabohnensamen tief genug in den Boden eingebracht hat.
James Moreland prüft, ob die Sämaschine die Sojabohnensamen tief genug in den Boden eingebracht hat.
Liebe zum Land wurde vererbt

Gegründet wurde die Moreland Farm, die sich heute vom nördlichen Zentral-Oklahoma bis ins südliche Kansas erstreckt, vor mehr als einem Jahrhundert von Matts Urgrosseltern mütterlicherseits. Die Liebe zum Land hat er aber von beiden Seiten geerbt: Die Familie seines Vaters stammt von amerikanischen Ureinwohnern ab, und Matt Moreland ist Mitglied der Chickasaw Nation.
Morelands Eltern waren Mathematiklehrer, die nebenbei ein paar hundert Acre Land bewirtschaftet haben. "Gerade genug, um mich vollständig zu begeistern", sagt Matt mit einem Lächeln. Als er 1986 ans Grinnell College ging, wollte er dennoch alles andere als Landwirt werden. "Finanziell machte das keinen Sinn", erinnert er sich. "Damals gingen alle pleite."
Als er im zweiten Jahr seines Wirtschaftswissenschaftsstudiums war, gab auch sein Onkel die Landwirtschaft auf, weil das Geschäft zu schwierig geworden war. Um ein Nebeneinkommen zu haben, pachtete Moreland die 400 Hektar seines Onkels von seiner Grossmutter und nahm einen Kredit für einen Traktor, einen Mähdrescher sowie Pflug- und Pflanzgeräte auf.
Nach dem Abschluss des Studiums planten Moreland und seine spätere Frau Lisa Laue (die er in Grinnell kennengelernt hatte), sich in Kansas City niederzulassen. Er wollte für eine Landwirtschaftsbank arbeiten, während sie ihren Master in Sozialarbeit machen würde. Dann hatte Moreland ein schicksalhaftes Gespräch mit seinem Studienberater.
"Sie scheinen wirklich eine Leidenschaft für die Landwirtschaft zu haben", gab er Matt zu bedenken. "Warum ziehen Sie nicht in Erwägung, auf den Bauernhof zurückzukehren?"
Mit einem Schlag war für Matt klar, was er wirklich mit seinem Leben anfangen wollte. Als er Laue mitteilte, dass seine wahre Berufung die Landwirtschaft sei, reagierte sie zunächst mit Skepsis. "Ich sah meine Lebensträume platzen", schreibt Lisa Laue Moreland in ihren kürzlich veröffentlichten Memoiren «Seven Miles From Asphalt: Lessons Learned on a Family Farm». Damals, so erinnert sie sich, besass sie nicht einmal ein Paar Jeans.
Absolventen eines geisteswissenschaftlichen Colleges wie Grinnell werden in der Regel keine Bauern. Rückblickend sagt Moreland, dass es aber genau diese diese Art der Ausbildung war, die ihm den Aufbau einer zukunftsorientierten Landwirtschaft ermöglicht hat.
"Staatliche Schulen hätten mir in den 1980er Jahren beigebracht, wie man Landwirtschaft in den 1970er Jahren betrieben hat", sagt er. "Ich musste erst lernen, wie man lernt."
Diese wertvolle Fähigkeit war es dann auch, die 1996 den entscheidenden Ausschlag zu Morelands Entscheidung gab, den Betrieb auf regenerative Landwirtschaft umzustellen. "Das war ganz anders als alles, was in dieser Gegend davor gemacht wurde", erinnert er sich. "Dafür mussten wir wirklich weit 'über den Tellerrand hinausblicken'."

Matt Moreland und Monte Hampton, ein Agronom und Pflanzenbauberater von Moreland Farms.
Matt Moreland und Monte Hampton, ein Agronom und Pflanzenbauberater von Moreland Farms.

Lisa Laue Moreland mit ihrer einjährigen Enkeltochter Andi
Lisa Laue Moreland mit ihrer einjährigen Enkeltochter Andi
Freiheit in der Landwirtschaft

1996 verabschiedete der US-Kongress ein Gesetz mit dem Titel "Freedom to Farm" (Freiheit für die Landwirtschaft), das Landwirten mehr Flexibilität bei der Wahl ihrer Anbauprodukte bringen sollte. Damit wurden u.a. Beschränkungen aufgehoben, die es davor lukrativ erscheinen liess, Jahr für Jahr die gleichen Feldfrüchte zu pflanzen.
Die Farm wuchs, und Matts Familie mit ihr. Matt, Lisa und ihre Helfer - darunter auch Matts Vater Jimmie, der heute mit 89 Jahren immer noch auf dem Hof tätig ist - waren überfordert. "Wir suchten nach besseren Wegen, um das zu tun, was wir tun mussten", erinnert sich Matt. "Wir wollten nicht den ganzen Sommer damit verbringen, auf einem Traktor zu sitzen und Erde umzugraben."
Einige andere Farmer begannen, sich mit der Direktsaat zu befassen. In der Nähe hatte sich eine Gruppe namens "No Till on the Plains" gebildet – und Moreland war bald ein regelmässiger Gast auf ihren Treffen. Dann entschlossen er und Lisa sich, zunächst auf einer kleinen Fläche von etwa 300 Acre auszutesten, ob eine Direktsaat möglich war und wie sich auftretende Probleme lösen liessen. Erst im Lauf der Zeit stellten sie dann den gesamten Betrieb auf Direktsaat um.
Einige der benachbarten Bauern waren skeptisch. Und auch Morelands Grossmutter, Neva Quillin, war anfangs nicht überzeugt. "Als ich ihr zum ersten Mal sagte, dass wir die Erde nicht mehr pflügen und wir keine schwarzen, sauberen und rückstandsfreien Felder mehr haben werden, gefiel ihr das gar nicht", erinnert sich Matt. "Das war nicht das, was sie kannte." Anderseits hatte sie aber auch die verheerenden Dürren und Sandstürme in der auch «Dust Bowl» genannte Grossebene miterlebt und war mit den verheerenden Auswirkungen, die Wind auf den Boden haben kann, bestens vertraut.
"Es hat sie immer geschmerzt, wenn das Land weggeweht wurde", sagt Moreland. "Als sie verstanden hatte, dass eine Direktsaat massiv zum Erhalt der Böden beitragt, war sie schliesslich einverstanden".
Studien haben gezeigt, dass die regenerative Landwirtschaft darüber hinaus sogar dem Klimawandel entgegenwirken kann, weil sie dafür sorgt, dass der Kohlenstoff weiter im Boden gebunden bleibt, der bei seiner Bearbeitung freigesetzt worden wäre. Gleichzeitig sieht Moreland in der regenerativen Landwirtschaft eine entscheidende Möglichkeit, mit den durch den Klimawandel zunehmenden Wetterextremen, umgehen zu können.
"Wir erleben heute feuchtere Feuchtigkeit, trockenere Trockenheit, heissere Hitze und kältere Kälte", sagt er. "Durch regenerative Landwirtschaft machen wir unsere Böden widerstandsfähiger und gesünder. Damit haben unsere Pflanzen bessere Chancen zu überleben."

Liz Moreland überwacht die Ablage der Sojabohnensamen in einem Tender. Sobald der Tender voll ist, bringt sie ihn zu ihrem Mann James, um ihn zu pflanzen.
Liz Moreland überwacht die Ablage der Sojabohnensamen in einem Tender. Sobald der Tender voll ist, bringt sie ihn zu ihrem Mann James, um ihn zu pflanzen.

James Moreland prüft, wie viele Sojabohnensamen noch in seiner Sämaschine sind.
James Moreland prüft, wie viele Sojabohnensamen noch in seiner Sämaschine sind.
Präzisionslandwirtschaft in der Praxis

"Präzisionslandwirtschaft" ist eine weitere wichtige Komponente der regenerativen Landwirtschaft, die auf der Moreland Farm zum Einsatz kommt. Die Familie setzt wo immer möglich auf Innovationen und experimentiert mit Drohnen, hochentwickelten Bewässerungssystemen, digitalen Wettersensoren und anderen Technologien, um die Abhängigkeit des Betriebs von Chemikalien weiter zu verkleinern und jede Anwendung so präzise wie möglich zu gestalten.
Ein Beispiel: Die Morelands nutzen das Cropwise-Tool von Syngenta Group, das künstliche Intelligenz mit auf dem Feld und via Satelliten gesammelten Daten kombiniert, um zu ermitteln, welches Saatgut und welche Pflanzenschutzmittel auf welchen Teilen eines Feldes die besten Ergebnisse bringen. Zudem helfen auch laufend entnommene Bodenproben, den Ertrag und die Bodengesundheit zu optimieren und gleichzeitig den Einsatz von Chemikalien zu minimieren.
"Wir setzen wirklich auf Big Data", sagt Moreland. "Wir versuchen, nicht ein Gramm mehr von den Nährstoffen auszubringen, als die Pflanzen wirklich brauchen. Und ebenso, keines zu wenig."
Vor dem Hintergrund seiner bisherigen Erfahrungen ist Moreland der Ansicht, dass ein Grossteil des Dialogs über die Zukunft der Landwirtschaft und ihre Auswirkungen auf die Erde durch Missverständnisse getrübt wird.
"Der Boden ist meine beste Investition", sagt er. "Als Verwalter des Landes muss man ihn pflegen und ihn besser hinterlassen, als man ihn vorgefunden hat. Ich habe im Moment kein Feld, von dem ich nicht sagen kann, dass es in einem besseren Zustand ist als zu der Zeit, wo wir begonnen haben. "

Liz und Matt Moreland mit Liz' Töchtern Ramie, Roslyn und Ruby.
Liz und Matt Moreland mit Liz' Töchtern Ramie, Roslyn und Ruby.





Die Morelands parken ihre Mähdrescher, Traktoren und Getreidetransporter und versammeln sich zu einer Mittagspause.
Die Morelands parken ihre Mähdrescher, Traktoren und Getreidetransporter und versammeln sich zu einer Mittagspause.

Liz Moreland programmiert einen Saatgutbehälter, um genau die benötigte Menge an Pflanzenschutzmitteln einzubringen.
Liz Moreland programmiert einen Saatgutbehälter, um genau die benötigte Menge an Pflanzenschutzmitteln einzubringen.

Matt Moreland am Steuer seines Mähdreschers. Am Tablet kann er Daten über den Ertrag und den Proteingehalt der Weizenernte auf der Moreland Farm ablesen.
Matt Moreland am Steuer seines Mähdreschers. Am Tablet kann er Daten über den Ertrag und den Proteingehalt der Weizenernte auf der Moreland Farm ablesen.

James Moreland mit zurückgelassenen Rückständen von der Weizenernte, die den Boden stabilisieren und vor Erosion schützen.
James Moreland mit zurückgelassenen Rückständen von der Weizenernte, die den Boden stabilisieren und vor Erosion schützen.
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